Aussicht in Fahrtrichtung rechts
Im Zug von Bingen Richtung Koblenz sollte man sich strategisch setzen — Aussicht in Fahrtrichtung rechts! — und ein Auge auf die Mitreisenden haben.
Wenn die Hügel des Rheingaus in das schroffe Felsental des Mittelrheins münden, wird es oft sehr ruhig im Abteil. Gespräche enden und werden durch Zeigen und Winken ersetzt: schau mal, da! Hast du das gesehen? Spätestens bei Kaub sind Fotoapparate und Handys im Anschlag.
Da gibt es die Informierten, die lesen die Strecke im Reiseführer mit, auf Spanisch, Chinesisch, Englisch. Einmal ließ sich eine blinde alte Dame von ihrer jungen Begleiterin die Namen der Orte sagen; sie wußte dann, welche Burg gleich kommen würde. Ich fragte sie später — sie war Lehrerin gewesen und hatte das Rheintal mit Schulklassen besucht.
Für manche ist die Strecke eine Überraschung. Ich saß einmal neben einem Franzosen, der schlief schon seit Mainz. Auf der Höhe von Oberwesel wachte er auf, schaute aus dem Fenster, rieb sich die Augen und fragte mich: Excuse me, but what is the name of this river? Der Rhein, an dem er eingeschlafen war, paßte nicht zu dem, der sich hier durch die Felsen zwängte.
Kleine Kinder sind am besten. Die sitzen mit platter Nase an der Scheibe und betrachten Schiffe und Hügel, Felsen und Burgen, und zu jeder Burg wollen sie die Geschichte wissen und zu jedem Schiff, was es geladen hat. Und sie sind es auch, von denen ich manchmal höre: hier müssen wir aussteigen!
Und da haben sie sehr recht.