Wellen & Zinnen
Mittwoch, 17. September 2014

Am Bahnhof

Bahnhof Bacharach. Ich bin von einer längeren Wanderung aus den Hügeln heruntergekommen. Ein Zug ist mir vor der Nase davongefahren, der Fahrkartenautomat wollte meinen Geldschein nicht; also beziehe ich eine Bank und hole mein Buch aus dem Rucksack. Zum Lesen komme ich aber nicht; eine Bank weiter sitzt ein älteres Paar, Briten, die sich laut und mit finsteren Gesichtern unterhalten. Das Geschäft hätte nun auch geschlossen, sagt sie. Das sei die Rezession, meint er; ihr Pensionswirt habe auch schon daran gedacht, aufzuhören … Ich gehe zu den beiden hin und frage sie auf Englisch, ob sie mir Geld wechseln können, und ob sie die Gegend kennen?

Bacharach. (Vor dem Umbau.

Seit seiner Jugend komme er her, immer in dieselbe Pension nach Linz, erklärt der Mann; seit etwa 2002 könne er beobachten, wie die Bahnhöfe verfielen; Läden würden geschlossen, Häuser an der Hauptstraße wären unbewohnt oder sähen doch so aus. In einem Wort: Verwahrlosung. – Woran dieser Niedergang liege? Am Ferntourismus, das zum einen. Eine Flugreise in den sonnigen Süden sei von London aus weitaus günstiger zu haben als die zwei Wochen am Rhein. Und mit dem Euro sei alles so teuer geworden. – Aber er komme immer noch?, fragte ich. Ja – seine Frau und er hätten hier ihre Flitterwochen verlebt. Und nach all den Jahren …

Ich bin berührt. Die beiden hängen mit grimmiger Liebe an ihrem vergangenen Urlaubsparadies. Jahr für Jahr wird es ungastlicher, und doch kehren sie immer wieder. Ich hoffe sehr, daß sie irgendwann wieder positive Entwicklungen vermerken können.

Sie sind nicht angemeldet